Tagebuch 1830 bis 1831 - Seite 92

 

 


 

    An die Erinnerung.
    Süßer Wehmuth Gefährtin, Erinnerung!
    Wann jene die Wimper sinnend senkt;
    Hebest Du deinen Schleier und lächelst
    Mit rückwärts gewandtem Gesichte.
    Deine dämmernd
    Still und hehr, wie der schweigende Vollmond
    Die Gräber bescheint, betrachtest Du
    Das Vergangene, weilenden Blickes,
    Wie Bräute des Bräutigams Bild
    Deine dämmernde Bilder sind lieblich,
    Wie thauernder Duft im Abendroth!
    Deine Stimme ist sanft, wie der Flöte
    im Echo entschwindender Nachhall.
    Oftmals zeigest du in duftiger Ferne
    mir freundlich der Jugend Lenz-Gefild;1
    So Liebe mir, sparsam nur, laß
    Oder oft erscheinst Du mir lächelnd durch Thränen,
    und kosest mit mir vertraut und lang
    von den todten Lieben, an Gräbern,
    Die höhres Gras schon umwallet.
    Mir willkommen im Schleier der Trauer!
    Willkommen in heitrem Silberflor!
    Rasch entflieht der Gegenwart Freude;
    Du, sinnende Trösterinn, weilst. –
    –––––––––

Nachher übte ich mich Klavier
und als ich wieder vom Essen kam,
machte ich Botanik.

Bemerkung. Man sagt, daß der
H. v. Nemours2 die Krone aus=
geschlagen habe, welche die Belgier
ihm angeboten hatten.


1 [am Rand:] Oder reichst in Kränzen mir Veilchen

2 Louis d’Orléans, duc de Nemours (1814-1896).