Tagebuch 31.07.1831 bis 20.12.1831 - Seite 228

 

 

    Geliebte Mutter!

Es ist das Zweitemal seitdem ich in Berlin
bin, daß ich das Glück habe meine Gedanken,
Gesinnungen und Gefühle Ihnen an dem Tage
ihrer Geburt wahrheitsmäßig an den Tag zu
legen. Wohl flog manches Jahr untheilneh=
mend
für mich verloren untheilnehmend vor mir vorüber, wohl ver=
schwand mir manche Stunde in leichtem Ver=
gnügen meiner Jugend, aber trübe und
schwere Augenblicke blieben in meinem Ge=
dächtniß bewahrt, sie blieben in dem
tiefsten Versteck der Seele, wo nur die
Rückerinnerung an vergangene ahnungsvolle
Zeiten ihren Ort finden kann. Das ist aber
der Ort meines Gewissens, welches in schwanken=
den Stunden ernst vor meiner Seele tritt,
wenn Neigung mit Pflicht in mir kämpft,
es ist der Ort des Gewissens, der mit mahnen=
der Stimme mich an die Zukunft verweist,